Es gebe wohl nicht allzu
viel, worum Kölner die Windecker
beneiden, aber so ein
Publikum und ein solches Engagement
wie das der Ehrenamtlichen
vom Herchener Matineeverein
könne sich der Kölner
nur wünschen. Dieses Lob
von Polit-Kabarettist Wilfried
Schmickler kam sichtlich von
Herzen, nachdem er zwei Stunden
lang mit „Es war nicht alles
schlecht“ - 30 Jahre Kabarett
- den politischen Poltergeist im
Haus des Gastes gegeben hatte.
Um seinen issig-schmerzhaften
Charme wissend, hatte der
Matineeverein hinter den Kulissen
vorsorglich dem Künstler
jeden Wunsch von den Augen
abgelesen.
Beruhigen konnte Schmickler
diese Liebesbeweise allerdings
nicht, denn er steht seit
der Bundestagswahl unter
Druck. „Ich bin ins kulturelle
Herzen des Windecker Ländchens
gekommen, um ordentlich
Dampf abzulassen“, posaunte
er mit Teufelchen in den
Augen heraus. Zu Schaffen
machte ihm seine Wahlschlappe,
nachdem die kleinen
Schwarzen und die große Gelbe
das Geschick für die Republik in
der Hand haben. Als FDP-Wähler
wagte sich folglich aus
den Zuschauerreihen niemand
zu outen, freie Bahn für
Schmickler sich für durchkreuzte
Wahlprognosen zu
rächen. Kurz zeigte lüftete er
seine gelben Socken unter den
Hosenbeinen seines schwarzen
Anzugs, dann blies er zur
Attacke. Im Mittelpunkt stand
Lieblingsopfer Guido Westerwelle,
der sich einst im Gagamobil
zum Affen machte. „Wen
kennen Sie außer Westerwelle
aus der FDP?“ Wundern durfte
man sich über die Stille im
Saal nicht. „Graf von Rotz
(Lambsdorff) und Möllemann,
der alte Todesflyer“ sind längst
passé. Doch die schwarz-gelbe
Jobmaschine wird nun angeworfen.
Schmickler beantwortete
sie mit einer verbalen Ohrfeige,
indem er Berufsgruppen
aus den Sozialberufen, als die
wahren Trümmerfrauen - und
männer im Publikum einzeln
begrüßte.
„Deutschland ist in der Hand
von skrupellosen Verbrechern“,
jappste er voller Qual, seinem
Triebmittel zum Rundumschlag
durch die politische Szene. Da
nützen auch Männer von Format
eines Horst Köhler nichts,
der sich mit der Grundgrimasse
Lächeln, als rhetorischer
Weitwerfer gibt. Schwarz ärgert
sich der Künstler über den Neuling
mit den vielen Vornamen,
Freiherr von und zu Guttenberg:
„Der Schnösel, der mit 37 Jahren
noch zuhause wohnt und reden
kann, was will, ohne dass es
seiner Beliebtheit Abbruch tut.“
Weggefegt wurden auch die
„Zeichen der Hoffnung“ in einer
Gesellschaft, die nur
Wachstum kennt, und in der alles
auf Plus steht: die Altersarmut,
das Ozonloch, die Zahl der
Arbeitslosen… . „Von wegen
Aufschwung, bevor er kommt
ist er immer schon vorbei.“ Wie
die Faust im Gesicht prallt
Schmicklers Poesie auf die
Wirklichkeit: „Schlaraffenland
ist abgebrannt, wo Kirschblütenhonig
floss werden letzte Billyregale
verbrannt.
Ein ganzes Volk ertrinkt im
Angstschweiß.“ Nur die Stricke
sind bei Krankenkassen noch
kostenlos zu haben, während
Schwerverletzte die Krankenhäuser
verlassen vorfinden: „Alle
kämpfen gegen alle, jeder nur
für sich!“
„Es war nicht alles schlecht, es
war noch schlechter“, entreißt
der Träger des Deutschen Kleinkunstpreises
und des Deutschen
Kabarettpreises ewig Gestrigen
beim Rückblick die rosa Brille. „Vor 30 Jahren standen Leute wie Westerwelle, Pofalla
und Röttgen alleine auf
Schulhof. Hätten wir gewusst
wohin das führt, hätten wir sie
mitspielen lassen.“ |